Spirituelles für Nicht-Spirituelle und Spirituelle
Spiritualität, was ist das wirklich?
Kürzlich hatte ich eine Diskussion mit einem nicht spirituellen Menschen. Das war seine Aussage und nicht meine. Dieser Mensch fragte mich dennoch, was ich den unter Spiritualität verstehe. Lust auf die Quintessenz dieses Gespräches? Dann lese weiter.
Spiritualität wird von einigen Menschen belächelt, als Humbug abgetan oder sie nehmen eine Widerstandshaltung ein. Nun, das ist alles in Ordnung, wenn ich daran denke, dass Spiritualität als Religion, Gurutum oder gar Sekte in Verbindung gebracht wird. Das löst selbst bei mir Widerstand aus. Wirkliche Spiritualität hat damit rein nichts zu tun. Nicht, dass es in solchen Vereinen auch Spiritualität gibt. Für mich scheint sie lediglich in verdrehter und sehr limitierter Form gelebt. Spiritualität ist Ausdehnung.
Oft werden von sogenannt spirituellen Menschen Regeln aufgestellt, die vorschreiben, wie man ein spirituelles Leben zu leben hat. 3 mal täglich meditieren, kein Konsum von Drogen, Alkohol, Zigaretten und bitte ja kein Fleisch essen, und sie schreiben dir auch gleich noch vor, welche Kleidung oder Farben du tragen musst. Auch das stösst mir persönlich auf.
Ich verstehe, dass der Mensch Regeln befolgt, in der Hoffnung, dass man dann doch endlich sein Heil, sein Glück und was auch immer man sucht, irgendwann mal findet. Ich möchte damit nicht sagen, dass Regeln und Richtlinien priori schlecht sind. Es kann eine Zeit im Leben geben, wo solche hilfreich sind. Aber das Leben geht weiter, du entwickelst dich weiter. Spiritualität ist Leben. Irgendwann ist die Zeit gekommen, seinen eigenen Richtlinien zu entdecken und ihnen zu folgen. Spiritualität ist Freiheit.
Über 30 Jahren beschäftige mich mit Spiritualität. Ich bin in meinem Leben vielen spirituellen Menschen begegnet und habe oft erlebt, dass sie Wasser predigen und Wein trinken. Das heisst so viel, dass sie zwar eine wunderschöne Theorie über das Leben und über Spiritualität haben, aber selbst diese Theorie nicht verkörpern, nicht leben. Theorie bleibt im Kopf, im Verstand. Spiritualität ist gelebte Praxis.
Ganz schwierig finde ich es, wenn ich spirituelle Gruppierungen höre, die sich mit Licht und Liebe Gesäusel umhüllen. Alles ist schön. Alles ist Liebe. Alles ist Licht. Aber was ist mit den unschönen Seiten? Was mit dem Hass? Was mit der Dunkelheit? Spiritualität verbindet, sie trennt nicht.
Wir sind Menschen, wir haben auch unsere dunklen Seiten. Mit dunklen Seiten meine ich nicht das böse, sondern jene vergessenen Aspekte, die wir in die Dunkelheit verschoben haben, die wir verdrängt haben und vor denen wir noch Angst haben, sie anzugehen, weil sie für uns noch zu schmerzhaft, zu bedrohlich sind. Die Dunkelheit nimmt all das, ohne Wenn und Aber auf, was wir noch nicht bereit sind anzuschauen. Sie hütet es, bis wir bereit sind, uns damit auseinanderzusetzen. Nur weil wir uns auf das Licht ausrichten und die Dunkelheit verleugnen, ist sie nicht einfach inexistent. Spiritualität ist die Balance zwischen den Polaritäten, zwischen hell und dunkel, zwischen rechts und links, zwischen männlich und weiblich, zwischen Himmel und Erde. Jeder einzelne Tag weist uns auf diesen Rhythmus hin, nach dem Tag folgt die Nacht, nach der Nacht der Tag.
Nun habe ich mich etwas über die verdrehte, limitierte und linear gelebte Form von Spiritualität ausgelassen, aber was ist Spiritualität denn jetzt wirklich?
Gelebte Spiritualität
Meine Sicht der Spiritualität ist nicht die absolute Wahrheit. Die gibt es sowieso nicht, denn die einzige Wahrheit, kannst du nur in dir selbst finden. Nimm meine Worte als Inspiration, als Anregung und als Reflexion für dich. Lausche hinter meine Worte, um deine Wahrheit zu fühlen.
Worte sind immer eine limitierte Form, sie berühren den Verstand, deine Gedanken, lösen Gefühle aus. Worte sind eine nette Sache. Ich liebe den Umgang mit Worten, aber ich weiss auch, dass sie erst eine wirkliche Bedeutung für uns bekommen, wenn sie dich berühren, wenn du sie erleben kannst. Berühren die Worte nicht, bleiben sie theoretisch. Erst wenn du über die Worte hinausgehst und dich ins Er-leben, Er-fühlen rein begibst, beginnen Worte gelebte Realität zu werden.
Wir Menschen haben uns sehr auf die Alltagswelt eingestimmt, wir sind sozusagen auf sie «progammiert». Ein wichtiger Aspekt der Alltagswelt ist der Verstand. Er und deine Gedankentätigkeit sind darauf ausgerichtet, dass du in dieser Welt zurechtkommst. Dein Verstand hilft dir täglich, deine Alltagsarbeit zu verrichten und er erinnert dich. Das ist eine gute Sache. Stell dir vor, du müsstest jeden neu Tag lernen, wie du deine Schuhe zu bindest oder wie du Auto fährst.
Dein Verstand hilft dir, dich zu fokussieren. Aber was geschieht zugleich, wenn wir uns auf etwas fokussieren? Wir sehen nur noch das, auf das wir fokussiert sind. Wie gesagt, das ist in manchen Dingen sehr hilfreich, kann aber zugleich auch eine Limitierung deiner Wahrnehmung bedeuten. Du kennst das sicher auch, dass du manchmal so im Kopf gefangen bist, so auf das Denken fokussiert, aber du findest trotzdem keine Lösung für dein Thema.
Spiritualität bedeutet die Öffnung deiner Wahrnehmung. Du gehst über Worte und Linearität hinaus und dehnst dich über deine Begrenzungen aus. Wirkliche Spiritualität hat mit Ausdehnung zu tun. Erst in dieser Ausdehnung kann dir bewusst werden, dass du nicht nur ein Mensch bist, der sich in der Alltagswelt bewegt, sondern, dass es da noch viel mehr zu entdecken gibt. Nämlich das Schöpferische, den Geist, das zeit- und raumlose Sein und dein Seelensein, das nicht an diese 3D-Realität gebunden ist.
Du kennst solche Momente, in denen du wie aus der Zeit gefallen bist. Hast du auch schon erlebt, dass du auf der Autobahn gefahren bist und nach einigen Kilometern fällt dir auf, dass dir gar nicht fokussiert bewusst ist, wie du gefahren bist? Du bist aus der Zeit gefallen. Du hast dich in andere Seinsbereiche ausgedehnt. Oder du ertappst dich beim Lesen eines Buches, dass du zwar die Worte gelesen hast, aber nach einigen Seiten bemerkst du, dass du abgedriftet bist und gar nicht mehr weisst, was du gelesen hast. Du hast dich über die Fokussierung der 3D-Realität ausgedehnt. Das ist sehr spirituell und dir nicht einmal bewusst. Du hast dich für einen kurzen Moment aus deinem Kopf begeben und dich mit deinem schöpferischen Sein verbunden. Es mag sein, dass du das nicht so benennst.
Spiritualität ist ein natürlicher Zustand und du musst dafür gar nichts tun. Es geschieht einfach. Spiritualität ist die Akzeptanz der Erweiterung deines Selbst. Auch als nicht spiritueller oder sagen wir lieber als sehr realistisch orientierter Mensch erreicht sie dich immer wieder.
Spiritualität ist das Schöpferische in dir. Ich habe einmal eine Geschichte über ein Genie gelesen. Vielleicht war es Albert Einstein. Leider erinnere ich mich nicht mehr daran und weiss auch nicht mehr wo ich das gelesen habe. Ich erinnere mich nur daran, dass dieses Genie seine Inspirationen in seinen Tagträumen fand. Stand er mit irgendetwas an, nahm er sich aus dem Denkgeschehen heraus, tat etwas ganz anderes und hatte dann seine Erkenntnisse. Auch das kennst du, nicht? Hattest du nicht schon eine geniale Idee oder Inspiration unter Dusche?
Spiritualität ist letztendlich ausgedehntes Bewusstsein, ist einfach die Akzeptanz, sich selbst über die limitierte 3D-Realität auszudehnen und sich mit dem Schöpferischen zu verbinden. Spiritualität ist natürlich. Jeder Mensch ist spirituell. Jede Pflanze, jedes Tier ist spirituell. Selbst ein Tisch ist spirituell, denn er hat in gewisser Weise ein Bewusstsein, dass er ein Tisch ist. Er verwandelt sich (noch ) nicht auf einmal in einen Stuhl. Natürlich kann er mit dir nicht in Worten darüber reden. Aber du kannst seinem Bewusstsein in deinem ausgedehnten Bewusstsein begegnen.
Bei meinem Gespräch mit dem nicht spirituellen Menschen stellt er mir zum Schluss noch eine Frage: Wieso spirituelle Menschen ihm oft so abgehoben erscheinen.
Ich musste bei dieser Frage lachen, denn das fragte ich mich selbst auch schon. Nun ich persönlich glaube, dass Spiritualität eine wirkliche gute Ressource für uns Menschen ist, wo wir uns inspirieren, ausbalancieren und stärken können. Spiritualität wird jedoch auch oft als Mittel benutzt, um von der harschen Alltagswirklichkeit zu flüchten. Das ist wohl auch ein Grund, weshalb viele Menschen so anfällig auf heil versprechendes spirituelles Geschwafel sind. Spiritualität ist die eine Seite unser Menschsein ist die andere unseres Daseins. Es geht nicht darum, die menschlichen Seiten zu verabscheuen und ausser Acht zu lassen. Im Gegenteil ich empfinde, dass die wirkliche Auseinandersetzung mit Spiritualität eine Versöhnung mit dem Menschsein bewirkt. Es bedeutet jedoch auch, dass wir, dass was wir dort erleben nun als Mensch auch in diese Welt, in unsere 3D-Realität hineinfliessen lassen.
Wirklich Spiritualität ist Leben, ist gelebte Alltagsrealität und nicht ein Sonderzustand, den man nur in Mediationen oder Gruppen erlebt. Es bedeutet auch, dass man die Erkenntnisse, die man im Zustand eines ausgedehnten Bewusstseins hat ins Hier und Jetzt und in sein Leben bringt und wirklich umsetzt. Da kommen der Mensch und seine Fokussierung wieder ins Spiel und der Kreis schliesst sich.
Den Fokus nur auf das Menschsein zu haben, kann ein sehr tristes, leeres Dasein mit sich bringen. Den Fokus nur auf die Spiritualität zu haben, kann abgehoben machen. Es braucht ein gemeinsames Spiel zwischen Menschsein und Spiritualität, sich weder auf das eine noch auf das andere zu versteifen.
Mit menschlich-spirituellen Grüssen
Eveline Rufer
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